Digiscoping - gelungene Detailaufnahmen aus großer Entfernung
Stellen Sie sich vor, Sie könnten die schönen Augen einer Leopardin oder die faszinierenden
Streifen des Tigerfells in voller Schärfe fotografieren, ohne dem jeweiligen Tier dabei zu nahe
treten zu müssen. Eine traumhafte Vision, nicht wahr? Eine Vision, die sich durch Digiscoping
realisieren lässt. Digi... was? Erfahren Sie, was es mit dieser speziellen Technik auf sich hat und
welche Hilfsmittel Sie benötigen!
Was ist Digiscoping?
Um die bunten Federn eines Vogels hoch oben im Baum einzufangen, die Iris einer dösenden Gepardin
abzulichten oder die Zähne eines gähnenden Bären festzuhalten, ist eine gewisse Nähe zum
jeweiligen "Objekt der Begierde" notwendig. Auf die verholzte Pflanze zu klettern oder ins Gehege
des wilden Tieres zu steigen sind natürlich keine ernsthaften Optionen. Und versuchen Sie von unten
beziehungsweise außen mit einem Objektiv an den gewünschten Detailbereich heranzukommen, merken
Sie sehr bald, dass die Ergebnisse alles andere als Begeisterung hervorrufen. Sie brauchen mehr
Brennweite. Nur so bekommen Sie die Aufnahmen, die Sie anstreben. Die Lösung des Problems ist ein
Spektiv. Dabei handelt es sich um ein monokulares Fernrohr. Dieses wird unter Zuhilfenahme eines
geeigneten Adapters an der Digitalkamera, dem Smartphone oder Tablet befestigt. Durch ein solches
optisches System kommen Sie in die Position, Ihr Lieblingsmotiv auch aus großer Entfernung nah an
sich beziehungsweise das fotografische Medium heranzuholen. Man bezeichnet diese moderne
Aufnahmemethode als Digiskopie oder Digiscoping.
Woher kommt die Technik?
Die Idee zum Digiscoping entstand in den 1970er-Jahren. Damals suchten Vogelbeobachter nach einer
Möglichkeit, das bildlich zu dokumentieren, was sie beobachteten. So fingen sie an, durch Spektive
zu fotografieren. Zu der Zeit kamen auch die ersten Adapter für die Digiskopie auf den Markt.
Damals war die Technik logischerweise noch nicht auf dem Stand, auf dem sie heute ist.
Dementsprechend wiesen die Utensilien zum Digiscoping mehrere Schwachstellen auf. Die Spektive
hatten deutlich größere Blenden (geringere Schärfentiefe) und die Okulare waren weit weniger
leistungsstark. Um die Defizite auszugleichen und dennoch ausdrucksstarke Fotografien zu erzielen,
musste man tief ins Portemonnaie greifen und auch eine Menge Glück haben, denn oftmals resultierten
trotz bester Ausrüstung (für damalige Verhältnisse, wohlgemerkt) nur sehr verrauschte Bilder. Gut
zwei Jahrzehnte nach den ersten Schritten in Richtung Digiscoping ging es so richtig los mit der Methode.
Ungefähr Mitte der 1990er brachten verschiedene Hersteller Spektive mit größeren
Austrittspupillen (kleinere Blendenzahl, höhere Schärfentiefe) sowie kleinere Digitalkameras zum
erschwinglichen Preis heraus. Fortan verfügten die Vogelbeobachter, die das Digiscoping erst ins
Rollen brachten, also über bessere Optionen, Details ihrer gefiederten Motive abzubilden. Bald
zogen andere Naturfreunde nach. Auch sie machten sich die neue Technik zunutze, um beim
Fotografieren außerhalb der Fluchtdistanz der Tiere bleiben und dennoch bezaubernde Nahaufnahmen
kreieren zu können. Jäger setzen die Digiskopie zur Dokumentation des Wildbestandes in ihrem
Revier ein.
Welche Hilfsmittel sind erforderlich?
Die Digiscoping-Ausrüstung besteht im Wesentlichen aus drei Teilen:
- Kamera, Smartphone oder Tablet
- Spektiv (oder Fernglas)
- Adapter
Hinsichtlich Spektiv haben Sie die Wahl zwischen kleineren und größeren Modellen. Die kleineren
Ausführungen kommen mit einem Objektiv daher, das einen Durchmesser von 60 bis 65 Millimetern hat.
Sie zeichnen sich durch ihr geringes Gewicht aus. Größere Exemplare weisen jeweils ein Objektiv
mit einem Radius von 80 bis 100 Millimetern auf. Sie sind deutlich schwerer als ihre kleineren
"Geschwister" und eignen sich für extremere Entfernungen zum Motiv. Ein wesentlicher Teil des
Utensils ist das sogenannte Okular. Es fungiert als der augenseitig optisch wirksame Teil des
Spektivs - aus einer einzelnen Linse oder einem Linsensystem bestehend.
Tipp: Achten Sie darauf, dass die Linse(n) apochromatisch korrigiert ist (sind). Andernfalls treten
Farblängsfehler auf, die sich auch mit hochwertigen Bildbearbeitungssoftwares nur schwer beheben
lassen.
Für das Digiscoping können Sie sowohl diverse Kompakt- und DSLR-Kameras als auch Smartphones und
Tablets verwenden. Um das jeweilige Gerät an das Spektiv zu koppeln, benötigen Sie einen
entsprechenden Adapter. Diesbezüglich gibt es inzwischen schon Modelle, die sich universell für
Kameras einer definierten Marke und Okulare, deren Durchmesser in einem bestimmten Bereich liegen,
eignen. So stehen Ihnen etwa Adapter von Novagrade zur Verfügung, die mit sämtlichen Nikon-Cams
und Okularen mit einem Radius zwischen 39 und 60 Millimetern funktionieren. Des Weiteren bietet der
US-amerikanische Hersteller auch einen Universal-Adapter für Canon-Kameras und Okulare mit
demselben Durchmesserspektrum wie zuvor. Nicht zu vergessen die Novagrade-Adapter, die mit allen
Smartphones oder Tablets harmonieren.
Welche Tücken gibt es?
Beim Digiscoping haben Sie es mit extrem hohen Brennweiten jenseits der 1.000 Millimeter zu tun. Da
ist das Fotografieren aus der Hand kaum möglich. Ein winziger Schubs an der Cam genügt und schon
verwackelt das entfernte Motiv immens. Aus diesem Grund sollten Sie sich ein Stativ besorgen und
dieses beim Digiskopieren einsetzen.Durch die massiven Unterschiede eines Spektivs im Vergleich zu
einem herkömmlichen Objektiv ist das Scharfstellen eine kleine Herkulesaufgabe.
Die Schärfe muss genau sitzen, ansonsten leidet die
Bildqualität darunter. Am besten gehen Sie folgendermaßen vor:
1. Schritt: Überlegen Sie sich, was genau Sie auf dem jeweiligen Bild darstellen möchten.
2. Schritt: Setzen Sie die Schärfe ungefähr in den Bereich, in den sie Ihrem Wunsch nach
hingehört.
3. Schritt: Daraufhin ziehen Sie die Schärfe exakt auf den Teil des Motivs nach, der sie braucht.
Tipp: Gerade Anfänger sollten eine Entfernung von 20 bis 30 Metern zum Motiv nicht überschreiten.
Auch für fortgeschrittene Digiscoping-Fotografen sind Distanzen über 50 bis 70 Meter nicht zu
empfehlen. Die enorme Brennweite vergrößert nämlich nicht nur das Motiv, sondern auch all das,
was sich zwischen demselben und dem Spektiv befindet: also Luftfeuchtigkeit, Staub und Hitzeflimmern
- Parameter, die sich umso negativer auf das Ergebnis auswirken, je weiter man vom Motiv entfernt
und damit auf einen stärkeren Zoom angewiesen ist.
Fazit - Digiscoping als neue Bildsprache
Immer mehr Fotografen aus den unterschiedlichsten Genres versuchen sich an der Digiscoping-Technik
mit Kamera, Smartphone oder Tablet plus Spektiv und Adapter. Sie bedienen sich der Methode, um eine
neue Bildsprache zu generieren. Diese äußert sich unter anderem in der geringen Schärfentiefe,
die einen cineastischen Bildeindruck erzeugt. So lassen sich Tiere, Menschen, Landschaften,
Industrieanlagen und viele andere Motive auf besondere Art darstellen. Der Effekt ähnelt dem, den
die Makrofotografie mit sich bringt: Das Spektiv suggeriert eine große Nähe zum jeweiligen Motiv,
obwohl man sich auf Abstand befindet. Durch den kurzen Schärfebereich ist es erforderlich, vor dem
Abdrücken umfassend über die Bildkomposition nachzudenken, wenn der Schärfepunkt im Foto nicht
einfach irgendwo landen soll. Durchhalten lohnt sich, denn: Mit Übung und Geduld gelingen Ihnen
spektakuläre Detailaufnahmen, die Sie ohne Digiscoping so nicht erwirken könnten.



